Unsere Heimat – Folge 1: Neujahrswünsche früher und heute

Es ist ein schöner Brauch, seinen lieben Mitmenschen am Jahresanfang ein gutes neues Jahr zu wünschen. Die Glückwünsche zum neuen Jahr, heutzutage per Telefon, Mail oder soziales Netzwerk übermittelt, erfreuen und machen deutlich, dass Andere an uns denken und uns mit ihren guten Wünschen begleiten – gerade in den aktuellen Pandemiezeiten ein wichtiges Zeichen des Miteinander.

Der Brauch des „Neujahrwünschens“ ist schon sehr alt. In früheren Zeiten gab es besonders in den Dörfern – auch in Sternenfels und Diefenbach – den Brauch des „Neujahrsagens“. Die oft kinderreichen Familien waren im Dorf und in der näheren Umgebung  meistens vielschichtig verwandt und verbunden. In der Regel wurden dann die Kinder der Familie zu Verwandten, Nachbarn, Taufpaten, oder – je nach Stand – auch zu den örtlichen Honoratioren  oder dem Arbeitgeber des Vaters geschickt, um diesen im Namen der gesamten Familie mit einem kleinen „Versle“ alles Gute für das neue Jahr zu wünschen. Der Mutter der Familie oblag es dabei, mit den Kindern das „Versle“ einzustudieren und die Reihenfolge der zu besuchenden Haushalte festzulegen.

Das älteste Kind hatte dann den Auftrag, die Neujahrswünsche in den einzelnen Häusern vorzutragen – eine große Freude und Ehre für die besuchten Familien! Allerdings gab es für die kleinen „Neujahrswünscher“ einige Klippen zu meistern; zuallererst musste natürlich das „Sprüchle“ fehlerfrei sitzen – und zu der jeweils besuchten Familie passen. Ältere Verwandte durfte man beispielsweise nicht mit dem vertrauten „du“ ansprechen, sie wurden in der 3. Person beglückwünscht: „Griaß Gott, Dote, en schena Gruaß von onsere Leit ond mir wenscha eich a guats neis Johr“. Grundsätzlich musste man sich natürlich gesittet aufführen und ehrerbietig zeigen, schließlich waren die Kinder als Repräsentanten ihrer Familien unterwegs. Und die Wege – auch in die Nachbargemeinden — wurden selbstverständlich zu Fuß und ohne Begleitung der Erwachsenen zurückgelegt. Alles in allem also eine große Aufgabe für die Kinder!

Die besuchten Familien empfanden den Besuch und die vorgetragenen Neujahrswünsche als  große Freude und Ehre, daher wurden die Kinder nach dem „Aufsagen“ meistens beschenkt: eine „Gewürzluike“(Apfel), eine „Gräfin von Paris“ (Birne), Weihnachtsbrötla, ein Gsälzbrot  oder ein Stück Schnitzbrot (= Hutzelbrot = Früchtebrot) waren der Lohn für die kleinen Gratulanten nach getaner Arbeit. In manchen Dörfern wurde dieser Brauch noch bis in die 1950er-Jahre gepflegt. Und so lautete ein traditioneller schwäbischer Neujahrswunsch:

„Mir wenscha eich:
A guats neus Johr,
dr gsonde Leib,
dr Frieda,
dr Sega
ond dr Heilige Geischd.“

Dem kann man sich nur anschließen!

Klaus Haag
Fachwart Kultur- und Heimatpflege